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Jean Liedloff "Normale Neurotiker wie Wir"

von Jean Liedloff

Wenn ich gefragt werde, was für eine Sorte von Menschen mich in meiner Privatpraxis aufsucht, sage ich manchmal: „Normale Neurotiker wie wir“ oder „erwachsene Kinder von ‚normalen‘ Eltern“. Die meisten Leute lächeln dann traurig und wissen genau, was ich meine.

Ich hatte nie beabsichtigt, das zu tun, was ich heute tue, noch habe ich diese Sachen in der Schule gelernt. Es ergab sich aus jahrelangem Interesse für das, was ich inzwischen als ein weitverbreitetes Krankheitsbild ansehe, als eine Tragödie, von der wir alle in unserer westlichen Gesellschaft irgendwie betroffen sind.

Unsere große westliche Krankheit

Die ganze Geschichte begann, als ich zum erstenmal in Europa war und zur Teilnahme an einer italienischen Expedition in den südamerikanischen Dschungel eingeladen wurde. Sie wollten nach Diamanten suchen, aber mir war jeder Vorwand recht. Die ‚Tarzan‘-Geschichte von Edgar Rice Burrough, die ‚Grüne Villa‘ von W. H. Hudson, ja schon das Wort Dschungel selbst übten schon immer eine romantische Anziehung auf mich aus. Und so nahm ich die Arbeit als Fotografin und Reporterin der Expedition ohne große Überredung an.

Während der fünfeinhalb Monate langen Entbehrungen und Abenteuer entwickelte ich große Achtung vor dem Dschungel, und mir dämmerte ganz schwach, daß das Steinzeitleben der Indianer uns etwas über unsere menschliche Natur sagen konnte – etwas Wesentliches, das wir offenbar falsch verstanden hatten.

Erst nach drei weiteren Expeditionen in eine noch weitgehend unerforschte Gegend weiter im Westen konnte ich die Wahrheit erkennen. Das Leben und Reisen mit den Yequana und den Sanema führte mir die Beweise immer wieder deutlich vor Augen, bis ich es schließlich begriffen hatte. Nach der vierten Expedition zurück in New York, konnte ich endlich mehr tun, als lediglich unsere westlichen Ansichten darüber, was wir sind und was gut für uns ist, infragezustellen. Nach einer weiteren Expedition war ich mir endgültig sicher, daß wir falsch mit Babys und Kindern umgehen, und daß dieses Verhalten, zusammen mit anderen naturwidrigen Gewohnheiten, die weitverbreitete Entfremdung, die Neurosen und das Unglücklichsein verursacht.

In meinem Buch Auf der Suche nach dem verlorenen Glück, das ich nach jener fünften Expedition in England schrieb, konnte ich Wege aufzeigen, wie ein Großteil dieser Entfremdung vermieden werden kann. Inspiriert durch die Art und Weise, wie die Indianer ihre Kinder behandelten, plädierte ich für ständigen Körperkontakt, bis die Kleinen zu krabbeln beginnen, für das gemeinsame Schlafen mit ihnen, bis sie das Familienbett aus freien Stücken verlassen, für die Erfüllung ihrer angeborenen Erwartungen, dafür, sie nicht übermäßig zu beschützen und für Vertrauen und Respekt gegenüber ihren sich entwickelnden Persönlichkeiten. weiterlesen…

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