Alle Menschen – egal welche Hautfarbe, Abstammung, Herkunft, Sexualität oder Religion sie haben – sind für mich Teil der großen Familie der Menschen auf diesem Planeten.
In den vergangenen Jahren habe ich ein paar Dinge gesagt, die für Außenstehende nur schwer nachvollziehbar waren und die teilweise zu erheblichen Missverständnissen führten. Dafür bitte ich aufrichtig um Entschuldigung. Und ich möchte ausdrücklich klarstellen: ich bin kein Rassist, kein Antisemit und auch nicht schwulenfeindlich.
Ich bin nicht wirklich ein begabter Redner, habe aber trotzdem so einiges zu sagen. Leider gelingt es mir nicht immer das Gemeinte auch verständlich rüber zu bringen. Manchmal stelle ich mich etwas ungeschickt an und bin zu impulsiv. Ich bedaure es zutiefst, wenn sich dadurch jemand beleidigt oder angegriffen gefühlt hat. Dies war niemals meine Absicht.
Lange hab ich hin und her überlegt, wie ich damit aufräumen könnte, ob es tatsächlich sinnvoll ist auf jeden einzelnen Punkt einzugehen und diesen klarzustellen oder nicht. Einerseits möchte ich nicht unnötig neuen Stoff für Diskussionen liefern, andererseits habe ich aber auch das Gefühl, dass ich einigen eine Erklärung schuldig bin.
Deshalb wage ich hier einen Versuch.
Kontroverse Äußerungen
“Dr. Motte erschien mehrfach wegen kontroverser Äußerungen in den Medien. So kommentierte er beispielsweise 1995 in einem Interview mit dem Tagesspiegel „Dies ist mein Aufruf an alle Juden der Welt, sie sollen doch mal eine neue Platte auflegen. Und nicht immer nur rumheulen“. Zwei Jahre darauf entschuldigte er sich in der Süddeutschen Zeitung für den Aufruf.” (Quelle: Wikipedia – http://de.wikipedia.org/wiki/Dr._Motte)
Es steht völlig außer Frage: die Nazi-Diktatur, der zweite Weltkrieg, Euthanasie und der Genozid an den Juden sind brutale Verbrechen, die mit nichts auf der Welt zu entschuldigen sind und die sich niemals wiederholen dürfen – weder in Deutschland, noch sonst wo auf der Welt! Ich habe großes Mitgefühl mit den Millionen Menschen, die dadurch gestorben sind, ihre Familie verloren haben, gelitten haben und heute immer noch leiden.
Was damals passiert ist, ist in meinen Augen ein Verbrechen an der gesamten Menschheit. Auch meine Mutter hat den zweiten Weltkrieg miterlebt und war ihr Leben lang davon traumatisiert. Ich weiß was es heißt, mit den Folgen eines Krieges leben zu müssen, denn ich bin bei ihr aufgewachsen und auch ich habe dadurch mein Päckchen zu tragen.
Der Schrecken der Nazi-Diktatur sitzt tief und wir alle leiden mehr oder weniger noch immer darunter. Gerade auch die Generationen, die nach 1945 geboren wurden, die selbst unverschuldet diese schwere Erbschuld der Nazis zu tragen haben, und zwar auf allen Seiten.
Was ich mit meiner flapsigen Aussage damals eigentlich ausdrücken wollte ist, dass wir alle trotzdem nach vorne schauen müssen, um eine bessere Zukunft für uns und die Generationen nach uns zu gestalten. Der Blick in die Vergangenheit ist wichtig, aber wir sollten unseren Zorn und Schmerz nicht in die Gegenwart projizieren, denn dadurch wird er nicht bewältigt, sondern verlängert.
Wir sollten stattdessen alle gemeinsam an der Gestaltung einer besseren Gegenwart und einer friedlichen Zukunft arbeiten – jeder mit dem was er kann, so gut er kann – mit dem Bewusstsein um unsere Vergangenheit, aber ohne Schuldzuweisungen und „Bestrafung“ der Unschuldigen und derer, die damals Kinder oder noch nicht einmal geboren waren.
Schauen wir nach vorne und machen wir es besser. Es ist unser aller Zukunft!
Fuckparade 2009
„…und deshalb fordere ich unsere Politiker auf, auch unseren regierenden Bürgermeister, mit seiner schlechten, schwulen Politik, die keiner braucht, sich für unsere Ideale einzusetzen…“ (Zitat aus meiner Rede zur Fuckparade 2009)
Ich war an diesem Tag sehr aufgewühlt. Die Gentrifizierung – ein Thema der damaligen Fuckparade – ist für mich ein sehr wichtiges und emotionales Thema. Für mich als gebürtigen Berliner ist die investorengesteuerte Veränderung der Stadt, die Stadtentwicklungspolitik und die Verdrängung der finanziell Schwächeren aus ihrem Lebensraum, einfach unerträglich.
Ich habe in den 70ern, 80ern und 90ern in West-Berlin eine Freiheit leben und erleben dürfen, wie sie heute kaum noch vorstellbar ist und die es so wohl auch nur hier gab. Es fällt mir sehr schwer weniger als das zu akzeptieren weil ich weiß, dass mehr Freiheit für alle möglich ist. Auch als einfacher Mensch, mit geringem Einkommen.
Doch die Stadtentwicklung benachteiligt zu oft genau diese Menschen und schränkt sie damit in ihrer Freiheit, ihrer Selbstbestimmung und ihrer gesetzlich verbrieften, unantastbaren Würde ein. Sie werden verdrängt und entwurzelt, wenn sie sich die “angepassten” Mietpreise in ihren frisch sanierten, alten Wohnungen nicht mehr leisten können und auch sonst keinen bezahlbaren Wohnraum in ihrem Kiez, ihrem Zuhause mehr finden. Das ist unmenschlich.
Doch das alles ist noch keine Erklärung, weshalb ich in dem Kontext das Wort „schwul“ auf so abfällige Art und Weise in meiner Rede benutzt habe.
Ich habe meine Rede frei gehalten und sie nicht wortwörtlich vorbereitet oder aufgeschrieben. Das war ein Fehler, denn so habe ich mich leider verzettelt und aufgeregt. Spontan kam es dann zu dieser hässlichen Aussage und das auch nur, weil Herr Wowereit seine Sexualität einst selbst in seinem Wahlkampf mit zum Thema gemacht hatte.
Bei mir als Bürger erweckte er damit den Eindruck als wolle er ausdrücken, dass er als schwuler Politiker eine bessere Politik mache. Natürlich ist das völliger Unsinn. Trotzdem ist das bei mir hängen geblieben und hat wohl auch meine Erwartungen an ihn gesteigert.
Doch wer hohe Erwartungen hat, kann leicht enttäuscht werden. Toleranz und soziale Gleichberechtigung scheint es immer häufiger nur noch zu geben, wenn man es sich leisten kann. Ohne Moos? Nix los. Und ja, darüber bin ich enttäuscht und aufgebracht, aber ich hätte das in meiner Rede entweder besser erklären müssen oder am besten ganz weglassen sollen, das ist mir völlig klar.
Nun sind die Worte ausgesprochen und ich kann es leider nicht rückgängig machen. Es tut mir sehr leid.
Ich habe viele schwule, lesbische und transsexuelle Freunde. Liebe ist Liebe, egal welches Geschlecht und sexuelle Orientierung jemand hat. So lange alle Beteiligten es gerne und freiwillig tun und niemand dabei zu Schaden kommt, sollen alle Menschen den Spaß und die Freude an ihrer Liebe und Sexualität frei ausleben und genießen können. Stop homophobia!
„Nazi-Pöbelei“ (Zitat Berliner Morgenpost)
Dieser Vorfall ist für mich eine teure Lektion gewesen. Da die Realität und die öffentliche Darstellung der Presse jedoch sehr weit auseinander liegen, möchte ich hier auf die einzelnen Punkte direkt eingehen und nehme dazu einen Artikel der Berliner Morgenpost als Grundlage, der in verschiedenen anderen Medien auch als Quelle angegeben wurde.
„Die Pöbel-Affäre hatte sich Dr. Motte… als Autofahrer geleistet. Er war Angaben zufolge am 11. März vorigen Jahres an der Kastanienallee in Prenzlauer Berg als Falschparker ertappt worden.“
Die Wahrheit ist: ich war weder Autofahrer, noch Falschparker! Und ich kann leider bis heute nicht nachvollziehen, wer diesen Unsinn in die Welt gesetzt hat.
Aufgrund der Umbaumaßnamen in der Kastanienallee (Prenzlauer Berg) gab es zu diesem Zeitpunkt keine Parkplätze, von der Schönhauser Allee bis zur Oderberger Straße. Als ich am Vormittag auf dem Weg in mein Büro in der Kastanienallee war, beobachtete ich, wie zwei Mitarbeiter des Ordnungsamtes gerade dabei waren einem Obst- und Gemüselieferanten meines türkischen Freundes und Nachbarn, ein Knöllchen wegen Falschparkens auszustellen. Der Mann hätte nirgends parken können, um seine Ware auszuliefern, so stellte er sich auf den Bürgersteig. Ich hatte das beobachtet und wollte dem Mann helfen, also sagte ich den Mitarbeitern des Ordnungsamtes, sie sollen damit sofort aufhören.
Darauf hin ließen die beiden auch von dem Lieferanten ab und kamen mit schnellen Schritten direkt auf mich zu. Sehr nah. Zu nah! Bis auf wenige Zentimeter traten sie an mich heran, wodurch ich mich stark bedrängt fühlte, und wollten mich maßregeln. Ich versuchte mich verbal zu verteidigen, was jedoch dazu führte, dass das Gespräch nur noch hitziger wurde.
„Zufällig seien Polizeibeamte vorbeigekommen. Sie wollten schlichten. Der aufgebrachte DJ aber vergriff sich nicht nur im Ton. „Heil Hitler“ schrie er und meinte, er fühle sich durch die „Blockwarte“ belästigt.“
Die Wahrheit ist: Wann die Polizeibeamten dazu kamen, ob zufällig oder ob sie gerufen wurden, das habe ich leider nicht mitbekommen. Plötzlich waren sie da. Und da ich mit meiner Geschichte alleine stand, die Mitarbeiter des Ordnungsamtes waren ja zu weit, wollte mir keiner glauben.
Ich habe ein Problem damit ungerecht behandelt zu werden und fühlte mich provoziert. Leider konnte mich dann nicht mehr zurück halten und so kam es zu dem o. g. Ausruf und der Beleidigung.
Die Beleidigung tut mir sehr leid und ich bat danach um Entschuldigung dafür. Was den Vorwurf der „Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ angeht, so kann ich nur ganz entschieden sagen, dass dieser Ausruf weder verherrlichend war, noch irgend einer zweifelhaften, politischen Gesinnung meinerseits entsprang. Tatsächlich war dies als Mahnung an die Mitarbeiter des Ordnungsamtes gerichtet, denn wortwörtlich fragte ich: “Sind wir denn schon wieder bei ‘Heil Hitler’?!”
Ja, ich bin unzufrieden mit der Arbeit des Ordnungsamtes im Prenzlauer Berg. Ich bin über den Umbau zum Nachteil der Anwohner (trotz Bürgerproteste) unglücklich, da viele Parkplätze wegfielen. Mich verärgert eine outgesourcte Parkraumbewirtschaftung, da sie meiner Meinung nach den Bürger und Steuerzahler benachteiligt. Ich bin verärgert über etwaige Zielvorgaben bei der Knöllchenausstellung und die damit ausgelöste Unmenschlichkeit und Ungerechtigkeit, über die zunehmende Reglementierung und Einschränkung der Freiheit im öffentlichen Raum und vieles mehr. Und dieser ganze Ärger platzte in Form dieses fürchterlichen Ausrufs aus mir heraus. Damit bin ich jedoch erheblich zu weit gegangen und ich bedaure das sehr.
„Im Juli beantragte die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl gegen Dr. Motte… Die 15.000 Euro aber wollte Dr. Motte nicht schlucken, legte umgehend Einspruch ein… Die Staatsanwaltschaft stimmte zu.
Dabei sah es zunächst nach einem Prozess aus. Er bestehe auf einer „fairen und ordentlichen Gerichtsverhandlung“, wurde Dr. Motte damals zitiert. Eine Verhandlung aber wollte er dann doch nicht. Seinen Einspruch hatte er auf die Höhe des verhängten Tagessatzes beschränkt…“
Die Wahrheit ist: Ich bin Künstler, kein Bürokrat. Alles was mit Bürokratie zusammenhängt lähmt mich bis zur völligen Lethargie. Deshalb kam es leider dazu, dass ich die Anhörung zu meiner Verteidigung versäumte und ein Versäumnisurteil verhängt wurde.
Alles was ich dann noch tun konnte war die mit dem Urteil verkündete Geldstrafe zu verringern. Doch das Urteil anfechten konnte ich leider nicht mehr. Ich habe es schlichtweg “verpennt”, mich rechtzeitig um die Angelegenheit zu kümmern und musste dafür bezahlen.
Ich, Matthias Roeingh, bin nun mal eine sensible und emotionale Person. Ich bin manchmal leicht aus der Fassung zu bringen und trage mein Herz auf der Zunge. Zumindest letzteres ist eigentlich nichts schlechtes. Es macht einen aber auch leicht angreifbar und wird zur Schwäche, wenn man im falschen Moment von seinen Emotionen übermannt wird.
Ich bin mir dessen bewusst und ich bemühe mich jeden Tag darum, ein besserer Mensch als gestern zu sein. Aber es gibt keine Garantie für das Leben und ich kann auch nicht garantieren, dass ich nicht irgendwann wieder mal in ein Fettnäpfchen tappe.
Ich bin auch nur ein Mensch und mache Fehler. Ich bitte dafür um Entschuldigung.
Dr. Motte
Berlin, Januar 2014